ELECTRIC OPRPHEUS ACADEMY
SPILLING THE BEANS #3 SQUEEZE

Jede Operation in einem geschlossenen Buffer, egal wie gross dieser ist, lässt sich, wie wir wissen, auch granular einsetzen: Ein Klang wird in kleine, sich überlappende Portionen zerlegt, diese bearbeitet und anschliessend wieder zusammengesetzt. Eine verwirrende Fülle von Techniken, Tricks und Geheimnissen (um nicht zu sagen 'Mythen') rankt sich um diese simple Methode.
In VASP lässt sich vieles davon Schritt für Schritt ausprobieren. Zunächst einmal wird die Zerlegung und Resynthese durch sogenannte 'structures' geregelt. Diese können generiert werden, oder auch analytisch vom Klanginhalt selber abgeleitet - und es können verschiedene structures für Analyse und Resynthese verwendet werden. Das alleine eröffnet bereits eine Fülle von experimentellen Möglichkeiten.
Darüberhinaus lassen sich die grains aber auch in jeder Ebene (domain) definieren, in time-domain oder in frequency-domain. Die grains selber können dann ebenfalls wieder in jeder Ebene bearbeiten werden. (Für Effekte beispielsweise, die man salopp als 'pitch-shift' oder 'time-stretch' bezeichnet, lassen sich zahlreiche methodische Varianten finden).

Daneben gibt es Operationen, die zwar viele benachbarte samples als Einheit behandeln, aber dennoch nicht granular arbeiten, weil der Ausschnitt sample für sample weitergeschoben wird. (Ein Luxus, wenn die Ausschnitte gross sind).
Eine davon ist die Automodulation squeeze. Wie die andern klassischen Automodulationen erzeugt sie Kombinationsfrequenzen von allen im Original enthaltenen Frequenzen, allerdings mit einer starken Betonung der doppelten Frequenzen. Auf Sprache angewandt entsteht eine gequetschte, falsetteartige Oktavierung (daher die Bezeichnung). Die Pegeleinbrüche sind nicht so krass, wie bei anderen Automodulationen und können durch eine zusätzliche Normierung noch ausgeglichen werden.

demo04_squeeze.mp3
Dieses Hörbeispiel versteht sich als Bearbeitung eines Zitates aus einer veröffentlichten Aufnahme. Mit der Möglichkeit, es hier zu Demonstrationszwecken anzuhören und zu studieren, sind keine weiteren Verwertungsrechte verbunden.

Wieder einmal Oskar Werner, der uns in verschiedenen Transformationen noch öfters begegnen wird. Das VASP script dazu sieht so aus:

sfload gelassen.wav
hilb
squeeze.norm
opt
play

Wie viele fundamentale Operationen, funktioniert auch diese am besten complex (sorry, ich kann's nicht ändern). Deshalb auch das Hilbert-Allpassfilter hilb, durch das ein mono-sound complex aufbereitet wird. Eine nachfolgende Pegeloptimierung opt ist ratsam, weil der resultierende Pegel etwas unvorhersehbar ist.

Wenn die Anwendung von squeeze in time-domain eine Form von Oktavierung nach oben, ein 'pitch-shift' bewirkt, dann müsste die Anwendung in frequency-domain (im totalen Spektrum) eine Art 'time-stretch' zur Folge haben. So ist es auch:

demo04_squeeze_FFT.mp3
Dieses Hörbeispiel versteht sich als Bearbeitung eines Zitates aus einer veröffentlichten Aufnahme. Mit der Möglichkeit, es hier zu Demonstrationszwecken anzuhören und zu studieren, sind keine weiteren Verwertungsrechte verbunden.

Das VASP script dazu sieht so aus:

sfload gelassen.wav
FFT
squeeze.norm
FFT-
opt
play

Wo aber ist hier die complexe Aufbereitung ?? - Ganz einfach, indem der halbe Buffer leer ist. Das versteht sich auch aus anderer Sicht: Wenn der resultierende Klang doppelt so lang wird, ist klar, dass im Buffer Platz sein muss dafür. [Wie gesagt, ich möchte den Workshop mit einer Einführung in complex audio beginnen].

Auch als Intermodulation ist die Methode verfügbar: vsqueeze.
(In VASP beginnen alle operationen, die zwei Bufferinhalte miteinander parallel verknüpfen mit einem v für 'Vektor').
Die Effekte damit sind aber weniger spektakulär. Meistens dominiert eine Komponente und die andere wirkt eher als Irritation.

Eine verwandte Methode, mit der man mehr an Nuancen herausholen kann ist die Filterung eines Klanges mit Ausschnitten eines anderen: vfir. fir steht dabei für 'finite impulse response', ein Standard unter den Filtern. Damit lässt sich jeder beliebige Ausschnitt eines Klanges als Filterfunktion für einen anderen Klang auswählen. Ist der Ausschnitt sehr gross, dann empfiehlt sich allerdings die Lösung durch Convolution, denn Filterung, Resonanz, Verhallung sind methodisch prinzipiell vom gleichen Stamm, unterscheiden sich lediglich im Charakter der Komponenten.
Mit vfir.run lässt sich der gewählte Ausschnitt aber auch kontinuierlich weiterbewegen.
Im folgenden Beispiel wird weisses Rauschen von einem relativ grossen Ausschnitt (2047 samples) des Gedichtes gefiltert, wobei sich der Auschnitt, bei 0 beginnend) mit einer Geschwindigkeit von 0.01 (1/100 der Originalgeschwindigkeit) fortbewegt.

demo05_vfir.mp3
This audio example shall be understood as the processing of an excerpt from published recordings. With the possibility to listen it and study it here for demonstration purposes, there are no further exploitation rights associated with it.

Man hört sehr schön den Übergang der Vokale vom E zum A bis hin zum Zischen des S in "gelassen ..."
Das script sieht so aus:

A:
sfload gelassen.wav
B:
vfir.run2047 0,0.1 (win=bell)
opt
play

In den specs (in runder Klammer) wird ausserdem ein glockförmiges Window für die Filterfunktion definiert.
So ein 'running filter' lässt sich auf keine andere, schnellere Art (convolution etc.) lösen. Der ganze Prozess dauert auf einem durchschnittlich schnellen Computer ca. eine Minute. Aber wir ham ja Zeit ....

akueto
G.R.


(c) Günther Rabl 2010