ELECTRIC OPRPHEUS ACADEMY
SPILLING THE BEANS #7 ACHTERBAHN

Wenn man vor der Aufgabe steht, etwas hin- und her- oder auf- und abzubewegen (beispielsweise den Pickup im Saitenmodell), dann ist eine Sinuswelle keine gute Lösung, weil der Bereich der Richtungsumkehrung viel zu lange verweilt. Eine Dreiecksschwingung wiederum ist an den Umkehrpunkten zu abrupt.
Bei der Suche nach einem Mittel zwischen beiden bin ich auf den 'Achter' gestossen, oder wie es die Mathematiker nennen, die 'Lemniskate'.
Abgesehen davon, dass die liegende Form davon als Unendlichkeitszeichen gilt und auch sonst mysthische Bedeutungen hat, haben mir handwerklich versierte Freunde versichert, dass diese Bewegung f
ür viele Tätigkeiten die organischste ist: Aufwischen, Schleifen, Polieren, etc.



Betrachtet man die Bewegung in der L
ängsachse, dann zeigt sich ein zügiger Verlauf, ähnlich der Dreiecksschwingung, mit einer natürlichen Verzögerung im Umkehrbereich, aber nicht so lange wie bei einer Sinuswelle.



Klanglich betrachtet hat man in einem Kanal (auf einer Achse) den Grundton mit ungeraden Obert
önen, im anderen Kanal die geraden Obertöne. Die Formel dafür stammt von dem Schweizer Mathematiker Jakob Bernoulli (1655-1705). In einer für einen Generator vereinfachten Form lautet sie:

x = cos(phi)/(sin
(phi)²+1); y = cos(phi)*sin(phi)/(sin(phi)²+1)

(f
ür wer's wissen will ...)
In dieser Form ist sie in VASP verf
ügbar und kann in der xy-Darstellung betrachtet werden (hotkey 'x' nach view.)

gen.achter 400hz
view.

Auch in AMP ist die Funktion als Generator enthalten. Standardmässig wird nur die Längsbewegung ausgegeben, im complexen Modus aber die volle Schleifenbewegung (Längsachse links, Querachse rechts).

Eine Anwendung im Saitenmodell zur Steuerung von zwei Pickups:

k1=osc.chord (s,cyc=4,dim=128,ini=drag)
k2=gen.achter (c)
k3=rmo (s,*k1) "remove offset - könnte man eigentlich
out=test.wav (s,*k3) "gleich ins Saitenmodell einbauen
seg=1
dur: 10
k1.tens: 0.4
k1.elast: 0.4
k1.damp: 5 [damp]
k1.smooth: 5 [damp]
k1.inidur: 0.001
k1.iniamp: 1
k1.inipos: 4
k1.pu.0: 90 (c=k2.0,cm=lin,ca=30)
k1.pu.1: 90 (c=k2.1,cm=lin,ca=30)
k2.freq: 0.5

Es gibt auch andere, einfacher gestrickte, Varianten von Achterschleifen. Die basieren aber in der Regel auf unterschiedlichen Sinusschwingungen in beiden Kanälen und bieten uns daher für den genannten Aufgabenbereich keine Lösung.

* * *

Es ist kein grosser Aufwand, diese Funktion auch als waveshape auszuf
ühren (waveshape.achter), oder die Kreisbewegung in dem für Steuerungen so effektvollen tieffrequenten Rauschen noise.band durch eine Lemniskate zu ersetzen. Die Funktion scheint mir aber als Bewegungstypus so fundamental, dass eine allgemeinere Einbindung angesagt ist. Zumindest für die Generatoren, die auf Phasenmodulation beruhen ist es nicht schwer, die Kreisbewegung, die ihnen allen zu Grunde liegt, durch eine Lemniskate zu ersetzten. Somit gibt es in der aktuellen Version von AMP die Varianten:

noise.silk8
noise.fmweight8
noise.band8
noise.center8


In mono und den normalen Multitrack-Modi wird die dreiecks
ähnliche
Schwingung der x-Achse vewendet, im Modus complex (c) beschreiben die complexen Samplezeiger mit variabler Geschwindigkeit eine Lemniskate.

akueto
G.R.

(c) Günther Rabl 2010


Nachtrag:
Die Lemniskate gilt als Spezialfall der 'Cassinischen Kurven', von denen ich k
ürzlich diese Abbildung gefunden habe. (Die Fotografie des Interferenzmusters eines Kristalles, glaube ich).



Hans Hauswaldt: Aragonit, um 1910, Glänzendes Kollodiumpapier
© Albertina, Wien