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Transformation goto

Frequenzverschiebung

Frequenzverschiebung (frequency shift) ist eine echte Transposition, die es ermoeglicht die Tonhoehen bzw. Frequenzen eines KM zu veraendern ohne dessen zeitliche Struktur dabei zu beeintraechtigen. Allerdings um den Preis, dass sich die spektralen Proportionen (Intervalle) veraendern, waehrend die linearen Eigenschaften (Differenzfrequenzen) erhalten bleiben. Die Transposition ist kontinuierlich, unter bestimmten Bedingungen umkehrbar und kann mit einem einzigen Parameter beschrieben werden. Dieser Parameter ist die Shift-Frequenz (offset) in Hertz.
Bei Verschiebung nach oben, wird das Spektrum enger, der Klang steifer, bei Verschiebung nach unten wird das Spektrum breiter, der Klang beweglicher.
Ein Klang beispielsweise, mit den Grundfrequenzen 100Hz und 200Hz (eine Oktave), um 900 Hz nach oben verschoben, erhaelt die neuen Grundfrequenzen 1000Hz und 1100 Hz (ein Ganzton). Ein Tonhoehenvibrato in hoher Lage, das sich kaum ueber den Bereich eines Vierteltones erstreckt, kann nach unten verschoben zu einem Jaulen ueber eine ganze Oktave werden ....

Frequenzspiegelung

Ist die Verschiebungsfrequenz hoeher als bestimmte Bereiche des Spektrums eines KMs, dann werden diese Bereiche 'durch den Nullpunkt geschoben' und nach unten gespiegelt – die hoeheren Frequenzen werden zu tieferen, die tieferen zu hoeheren.
Im digitalen Medium findet so eine Spiegelung aber nicht nur am Nullpunkt statt, sondern auch an der Grenzfrequenz: das beruechtigte aliazing. Frequenzen, die ueber diese Grenzfrequenz hinausgeschoben wuerden, werden wieder nach unten gespiegelt und bewirken unter Umstaenden die bekannten Unsauberkeiten digitaler Prozesse mit mangelhaften Filtern. (Genaugenommen findet sich im digitalen Medium das Frequenzkontinuum auf einen geschlossenen Kreis projiziert).

Frequenzfaltung

Wendet man das Verfahren der Frequenzspiegelung mehrmals hintereinander an, dann entstehen Frequenzfaltungen. Das gesamte Spektrum eines KM kann so in einen engen Frequenzbereich gefaltet werden. Das ist ein wertvolles Verfahren in Kombination mit Tempotransposition nach oben, wobei Frequenzen, die den Hoerbereich verlassen wuerden, nach unten gefaltet werden und somit nicht verloren gehen. Die Frequenzfaltung eines KM in den Bereich von beispielsweise 0-1000Hz erhaelt man durch sukzessive Anwendung von einer Abwaertsverschiebung um 8000Hz, 4000Hz, 2000Hz, 1000Hz.
Eine wertvolle Methode in der Kombination mit Tempotransposition nach oben [@3.3].
Eine kombinierte Form von Tempotransposition und Frequenzfaltung erhaelt man automatisch, wenn man digitalisiertes KM 'packt' - also nur jedes n-te sample verwendet und alle anderen eliminiert. Dabei kommen dann aber unter Umstaenden wichtige Spektralbereiche des KM in extrem hohen Breichen zu liegen, die fuer den Klangcharakter nicht von tragender Bedeutung sind.

Ungeordnete Frequenz / Zeit-Transformation goto

Eine Kombination von Frequenzverschiebung, Tempotransposition und Zeitfaltung ermoeglicht Transformationen in geradezu astronomischem Ausmass, ohne dass das Ergebnis den Zeit- und Frequenzbereich verlaesst.
Eine solche Methode, die auch mit analogen Mitteln durchfuehrbar ist, geht etwa so:
Man setzt das Tempo eines KM auf ¼ des Originaltempos, teilt es dann in 4 gleiche Abschnitte, gibt jedem Abschnitt eine andere Frequenz-offset (sodass das ganze Spektrum im Hoerbereich wieder aufgefuellt wird) und synchronisiert diese 4 Teile.
Das Ergebnis hat dieselbe Dauer wie das originale KM und fuellt denselben Spektralbereich aus, allerdings in einer bestimmten Art von 'Unordnung'.
Mehrfach hintereinander angewandt (die Alchemisten nennen so etwas ein Circularium) kann man eine ganze Kette von Metamorphosen erzeugen [@2].

Komplexe Intermodulation und Verzerrung

Die Methode eine Frequenzverschiebung zu erzeugen, ist eine bestimmte Modulation mit einem Sinuston, aehnlich der Ringmodulation. Anstelle dieses Sinustones (Traegerfrequenz) kann aber jedes beliebige KM verwendet werden. In diesem Fall enthaelt das Resultat saemtliche Summenfrequenzen der Frequenzen des einen Spektrums mit den Frequenzen des anderen bei einem shift up, saemtliche Differenzfrequenzen bei einem shift down. (Im Gegensatz zur Ringmodulation, bei der in so einem Fall Summen-und Differenzfrequenzen untrennbar gemischt waeren).
Zwei Klaenge mit den Frequenzen 1000, 2000, 3000, 4000Hz und 200, 400, 600, 800Hz wuerden komplex moduliert folgende 16 Kombinationsfrequenzen bilden:

up         down      

1200

1400

1600

1800

800

600

400

200

2200

2400

2600

2800

800

1600

1400

1200

3200

3400

3600

3800

2800

2600

2400

2200

4200

4400

4600

4800

3800

3600

3400

3200

Sind die beiden Komponenten identisch, dann hat man den Fall einer komplexen Automodulation oder Verzerrung.
Mit dem einen Klang des vorigen Beispiels wuerden dabei die Kombinationsfrequenzen entstehen:

up       down      

2000

3000

4000

5000

0

1000

2000

3000

3000

4000

5000

6000

1000

0

1000

2000

4000

5000

6000

7000

2000

1000

0

1000

5000

6000

7000

8000

3000

2000

1000

0

Die Diagonale in dem Frequenzschema zeigt jeweils eine Besonderheit. Im ersten Fall enthaelt sie exakt die Frequenzverdoppelung des Originalklanges. Wir haben damit tatsaechlich eine Methode an der Hand, beliebiges KM 'eine Oktave hoeher' zu setzen, ohne dass sich an seiner Dauer etwas aendert - allerdings eingebettet in ein System von Kombinationstoenen und mit den typischen Amplitudeneinbruechen der Automodulation [ @1 ]. Im zweiten Fall bildet sich Gleichspannung (offset) - tatsaechlich enthaelt das Resultat keine negativen Amplitudenwerte. Bei eindimensionalen Klangtypen (wie in diesem Beispiel) fallen viele der Kombinationsfrequenzen auf den Grundton. Man kann auf diese Weise den Grundton eines KMs hervorheben oder sogar rekonstruieren, wenn er urspruenglich gar nicht vorhanden war.
Komplexe Intermodulationen und Verzerrungen sind auch in hoeheren Graden (mehrmals hintereinander angewandt) und in Kombination einsetzbar und fuehren in sehr interessante Klangbereiche, wie Knistern, Prasseln, etc. [@4] [@5]

Phaenomenologie der Frequenzverschiebung

auf eindimensionales KM angewendet (Klaenge mit grundsaetzlich ganzzahligen Teiltonverhaeltnissen, wie die Klaenge der meisten Musikinstrumente) angewendet zeigt sich folgendes Phaenomen: Bei offset-Werten, die mit der Grundfrequenz oder einem Vielfachen der Grundfrequenz zusammenfallen, deckt sich das resultierende Spektrum wieder mit Teilen des urspruenglichen Spektrums. Das Resultat hat Aehnlichkeit mit dem Klangtypus durch Filterung.

  100 200 300 400 500 ....
+100 =   200 300 400 500 600....

In der Kombination von von verschiedenen Frequenz-offsets ein und desselben KMs vom eindimensionalen Typus gibt es keinen 'harmonischen Konflikt'. Fallen Teiltone auf dieselbe Frequenz zusammen, so entsteht keine 'Konsonanz', fallen sie nicht zusammen, entsteht keine 'Dissonanz', bestenfalls eine einheitliche Schwebung.
Grosse Verschiebungen sind sehr heikel zu handhaben und nur bei geringer Lautstaerke moeglich. Jede auch noch so kleine Verzerrung (auf den Leitungswegen, in den Lautsprechern oder auch im Ohr) rekonstruiert sofort Teile des Originalklangs aus den Differenzfrequenzen, die ja vollstaendig erhalten sind. Besonders die Verzerrung (Nichtlinearitaet) im Ohr schafft ein merkwuerdiges Phaenomen: Der Originalklang ist wie ein raumloser Schatten staendig praesent. Das kann natuerlich auch als Effekt verwendet werden. (Die Verschiebung kann so hoch angesetzt werden, dass das Resultat bereits im Ultraschallbereich liegt und praktisch nur mehr die raumlosen Differenzfrequenzen bewusst wahrgenommen werden).
Ganz anders bei mehrdimensionalem oder irregulaerem KM. Hier gibt es alle diese Phaenomen nicht, oder nicht in solchem Ausmass. Da es dabei keine einheitlichen Differenzfrequenzen gibt, fallen die Kombinationstoene kaum auf dieselben Frequenzen zusammen. So gewonnene Klaenge sind stabil und halten auch Verzerrungen und Nichtlinearitaeten aus, ohne dass dabei gleich der Klangcharakter verloren geht. [@1] [@5]

Technische Aspekte

Frequencyshift ist urspruenglich ein Verfahren aus der Radiotechnik, das in den Siebzigerjahren als analoges Effektgeraet (frequency shifter) auf den Markt kam. Das Verfahren war technisch kompliziert und die Geraete, wenn sie erschwinglich sein sollten, dementsprechend schlecht. (Vor allem das staendige Durchsprechen der Traegerfrequenz hat bewirkt, dass diese Effektgeraete rasch wieder vom Markt verschwanden).
Das Verfahren beruht auf einer Modulation von zwei komplexen Signalen, von denen eines ueblicherweise ein Sinuston ist (carrier). Dabei wird intern durch spezielle allpass-Filter von jedem der beiden Signalen eine zweite Komponente mit definierten Phasenbeziehungen erzeugt und diese nach dem Gesetz der komplexen Multiplikation verknuepft (>> Komplex Audio goto). Das Resultat koennte dementsprechend zwei Komponenten haben, ueblicherweise wird aber nur eine davon ausgefuehrt.
Mit den Mitteln der digitalen Fouriertransformation goto lassen sich absolut saubere Frequenzverschiebungen erzielen - ohne Rauschen und ohne Durchsprechen.


@1 Guenther Rabl: ATEM
Das gesamte Klangmaterial (Aussenaufnahmen und Geraeusche des menschlichen Koerpers) ist durchgehend seriell in mehreren Parametern motivisch organisiert, darunter neben Tempo und Lautstaerke auch Frequenzverschiebung und Verzerrungsgrad.

@2 Guenther Rabl: STYX
2.1  Im ersten Teil ist ein Abschnitt mit langezogenen, kreisenden metallartigen Klaengen. Diese sind aus einer Serie von analogen FZ-Transformationen
2.2 Im Zentrum des zweiten Teiles erscheint, nach einem perkussiven Teil mit inversen Sirenen-Elementen ein Klang 'wie ein Geschoss'. Dieser Klang ist das Endergebnis einer 10fachen F/Z-Transformation mit einem endgueltigen Tempoverhaeltnis von etwa 1:1000000 zum Original (die Aufnahme einer Autohupe).

@3 Guenther Rabl: 4 SKIZZEN
3.1 Die wuchtigen Schlaege, die in der vierten Skizze ('Schlauch und Rohr') die polyrhytmischen Muster 'umschalten' ergeben sich aus dem Klang von einem Bueschel zusammenschlagender Eisenrohre, der mit verschiedenen offsets nach unten verschoben wird.
3.2 In der ersten Skizze ('Schwellungen') werden die Schwellungen in der Zwischenphasen durch mehrfache komplexe Verzerrung zum Geprassel aufgeloest.
3.3 Der Einschluss in der zweiten Skizze ('Gestade') ist eine starke Tempo-transposition (c. 8-fach) einer Instrumentalaufnahme, allerdings mit vorangegangener Frequenzfaltung, sodass die hohen, ansonsten verlorengehenden Anteile wieder den tieferen Frequenzbereich auffuellen.

@4 Guenther Rabl: FUNKENFLUG
4.1Vier unterschiedliche Ausschnitte von Wasserrauschen sind durch Intermodulation (mit nachfolgder Automodulation) so verknuepft, dass vier eigenstaendige Spuren mit Knistern und Knacken entstehen, die aber dennoch einen inneren Zusammenhang haben.

@5 Michael Obst: KRISTALLWELT