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Lautsprecher

Lautsprecher sind Intrumente

Der Lautsprecher ist das Aschenputtel unter den Musikinstrumenten. Alle benutzen ihn, keiner will ihn - insbesondere nicht bei festlichen Anlaessen. Gut genug die anderen, salonfaehigen Musikinstrumente (inklusive der Singstimme) herauszuputzen und ihnen in ihrer medialen Weltverlorenheit auf die Spruenge zu helfen, ist er allemal. In ehrbaren Institutionen, die sich der Pflege der alten musikalischen Werte verschrieben haben, sind die Lautsprecher daher dementsprechend gut versteckt. Man konfrontiert ein zartfuehlendes Publikum nicht gerne mit der ordinaeren Realitaet ihrer Existenz ...
Allein, dass Lautsprecher ueberhaupt zu den Musikinstrumenten gezaehlt werden, duerfte in konservativen Kreisen Entruestung hervorrufen. Dazu kann man nur sagen: fuer Leute, die sich weigern den Lautsprecher als Musikinstrument zu akzeptieren, ist er definitiv keines. Es kommt ihnen keine Musik aus ihm heraus, auch wenn sie wohlmeinend welche in ihn ’hineinschicken’.

Qualitaet

Insofern Lautsprecher offensichtlich technische Produkte sind, werden sie im Gegensatz zu anderen Musikinstrumenten  gerne nach trivialen technoiden Fortschrittskriterien beurteilt. Man vergisst dabei allerdings, dass Geigen und Klaviere auch nicht auf Baeumen wachsen, sondern ebenfalls das Produkt einer ueber einen langen Zeitraum gereiften Technologie sind.
Die Wertschaetzung von Lautsprechern unterliegt daher nicht einfach den – vermutlich auch in anderen Bereichen zweifelhaften – Kriterien eines technischen Fortschrittes. (Man wirft eine Stradivari nicht auf den Muell, bloss weil irgendeine Firma behauptet, die ultimative Geige entwickelt zu haben, die fortan alle anderen Geigen ueberfluessig macht).
Die Idee des idealen neutralen Schallwandlers gilt vom kuenstlerischen Standpunkt weder bei den Mikrofonen, noch bei den Lautsprechern. Die Umsetzung von Schwingung im Raum hat viele Facetten und laesst sich ohne individuelle Zweckbestimmung nicht beurteilen. Qualitaet (lat. qualitas = Eigenschaft) ist mehrdimensional.

Lautsprecherinstallation

Es gibt keine serioese Moeglichkeit, dem optisch-akustischen Konflikt auszuweichen: entweder man sieht, dass Lautsprecher vorhanden sind, oder man hoert, dass sie versteckt sind. In vielen alltaeglichen Anwendungsbereichen, selbst dort, wo es eigentlich um Musik gehen sollte, ist die Aufstellung oder Aufhaengung der Lautsprecher negativ definiert. Sie befinden sich selten dort, wo sie akustisch am sinnvollsten waeren, sondern dort, wo sie am wenigsten stoeren. (Dass das kaum jemand zu bemerken scheint, wirft kein gutes Licht auf die Hoergewohnheiten der westlichen  Zivilisation und laesst den auch anderweitig begruendeten Verdacht zu, dass es auch in der Musik selten darum geht, was tatsaechlich zu hoeren ist).
In der EM ist die Lautsprecherinstallation ein wichtiger Teil der akustischen Inszenierung, der  Auseinandersetzung mit dem Raum. Man ueberlaesst sie daher nicht einfach der Raumgestaltung, aber auch nicht der Tontechnik. Die Gestaltung der Lautsprecherinstallation ist eine kuenstlerische Disziplin.

Abstrahlrichtung

Betrachtet man die traditionellen Musikinstrumente in Hinblick auf ihre Abstrahlrichtung, so faellt zunaechst auf, dass diese hochkomplex und vielseitig ist. Eine normal gehaltene Geige beispielsweise strahlt hauptsaechlich schraeg nach oben ab, aber auch etwas nach unten und von den Zargen aus seitwaerts. Weitere Schallorte, die fuer die Feinheiten des Gesamtklanges sehrwohl von Bedeutung sind, sind der Steg, die Saiten , der Bogen, die Bogenhaare, etc. – im Grunde also eine komplexe, nach allen Raumrichtungen verschieden abstrahlende Schallquelle.
Beim Cello und beim Kontrabass gilt dasselbe, nur ist die Hauptabstrahlrichtung ueblicherweise horizontal, bei der Klarinette schraeg nach unten bei der Trompete nach vorne, bei der Tuba nach oben; beim Schlagzeug: Snare und Tomtom nach oben, Bass-drum nach vorne, Becken nach oben, Gongs nach vorne ....
(Die Kenntnis davon spielt auch eine grosse Rolle bei der Mikrofonierung von Instrumenten. Ich werde immer wieder gefragt, wie ich den Kontrabass aufgenommen habe. Tatsaechlich habe ich viel experimentiert, um eine Mikrofonposition zu finden, deren Klang ungefaehr dem entspricht, was ich als Spieler des Instrumentes hoere. Als beste Loesung erwies sich, ein Richtmikrofon schraeg nach unten auf den Steg zeigen zu lassen, also den Klang aufzunehmen, der normalerweise schraeg nach oben abstrahlt und ueber die Decke reflektiert wird).
Gegenueber solcher Vielfalt erscheint das Abstrahlverhalten von Lautsprechern geradezu duerftig. Dennoch laesst sich fuer die Lautsprecherinstallation einiges davon ableiten. Sofern es nicht um stereofone Abbildung geht, ist eine frontale Ausrichtung von Lautsprechern gegen das Publikum nur eine von vielen Moeglichkeiten und in den seltensten Faellen die beste.

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